[su_dropcap style=“simple“ size=“1″]A[/su_dropcap]sylgegner sagen gerne Sätze wie „Die Flüchtlinge müssen doch nicht nach Europa, die können doch in der Türkei bleiben!“ Meist haben sie dabei eine gewisse Wut beim Sprechen, aber leider auch keine Ahnung. Die wenigsten Menschen haben keinen Einblick, wie es den Geflüchteten in der Türkei geht. Ich habe deshalb im letzten Monat mit zwei Kolleginnen eine Recherchereise nach Gaziantep in der Südtürkei gemacht. Wir wollten wissen, warum die Geflüchteten nicht einfach in dem Land bleiben und weiter nach Europa wollen.

Gaziantep

Gaziantep
Gaziantep befindet sich im Südosten der Türkei
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Die Stadt war bei Touristen beliebt und gilt als starker Wirtschaftsstandort

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FOTO GAZIANTEP

 

Gaziantep ist eine moderne und wirtschaftlich starke Stadt. Vor ein paar Jahren galt sie noch als Musterbeispiel des türkischen Aufschwungs. Je länger der Syrien-Konflikt anhält, desto mehr macht sich die allerdings die Nähe zum Bürgerkrieg im Nachbarland bemerkbar.

Gaziantep befindet sich im Einflussbereich von IS und Al Kaida. Es gibt seit längerem Terrorzellen in der Stadt. Journalisten, die kritisch über die Islamisten berichten, werden erschossen. Zusätzlich dient die Stadt Kräften von PKK und ihr nahen Gruppen als Rückzugsgebiet. Anfang Mai hat es einen Bombenanschlag auf die Polizeistation in Gaziantep gegeben. Als zusätzliche Belastung kommen die offiziell ZAHL Geflüchteten hinzu, dazu eine unbestimme Zahl an illegal dort lebenden. Bei ZAHL Einwohner*innen machen die syrischen Geflüchteten mindestens PROZENTZAHL der Stadtbevölkerung aus.

Status entscheidet

Die Menschen aus Syrien werden von der Bürokratie in vier Gruppen eingeteilt:

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Visa/Aufenthaltserlaubnis

In dieser Gruppe leben viele Menschen, die relativ früh Syrien verlassen haben oder über gute Beziehungen verfügen. Sie können arbeiten gehen, besitzen eine adäquate Versorgung, kurz: sie können ein Leben wie alle anderen führen.

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Flüchtlingsstatus

Menschen mit diesem Status haben eine Anerkennung als Geflüchtete nach den Bedingungen der Genfer Flüchtlingskonvention. Sie können sich auf die Versorgung durch den türkischen Staat oder offizielle Hilfsorganisationen verlassen und besitzen einen Schutz vor Abschiebung.

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Temporärer Schutzstatus

Mit diesem Status besitzen die Menschen die Möglichkeit sich offiziell in der Türkei aufzuhalten – mehr nicht. Sie dürfen offiziell nicht arbeiten gehen und haben keine Garantie auf staatliche Versorgung. Ihr Aufenthaltsstatus kann jederzeit widerrufen und sie abgeschoben werden. Die meisten Geflüchteten besitzen diesen Status.

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Illegalisiert

Die Türkei hat diesen Menschen keinen Aufenthaltsstatus gegeben, weil sie nicht offiziell einreisen konnten, keine Dokumente besitzen oder sonstige formale oder persönliche Gründe gegen einen Antrag gesprochen haben. Sie besitzen überhaupt keine Rechte und werden direkt abgeschoben, wenn sie von der Polizei aufgegriffen werden sollten.

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Betteln statt Schule

Die zehnjährige Nisrin versorgt allein ihre Familie

Nisrin ist zehn Jahre alt. Sie war seit mehreren Jahren nicht mehr in einer Schule. Ihre Eltern können sich die Schulmaterialien und die tägliche Fahrt hin und zurück nicht leisten. Stattdessen geht Nisrin betteln, weil sie als Kind eher Geld bekommt. Mit ihren Einnahmen ernährt sie die ganze Familie.

In dieser Situation befinden sich viele syrische Flüchtlingsfamilien in der Türkei. Offiziell dürfen sie nicht arbeiten gehen, Versorgung durch den türkischen Staat erhalten sie aber auch keine oder nur unzureichend.

Krank oder verletzt heisst arbeitslos

Viele gehen deshalb illegal arbeiten, so wie NAME. Sie geht putzen und verdient damit knapp 200€ im Monat. NAME erzählt, dass sie mit dem Geld gerade so die Miete und das Essen bezahlen kann. Aber auch sie kann ihre Kinder nicht in die Schule schicken, da für die Fahrkosten und die Schulmaterialien das Geld nicht mehr reiche. Nachdem ihr Mann krank geworden war, versorgt sie mit ihrem Einkommen die Familie alleine. Auf seiner Arbeit hatte er sich verletzt und wurde deshalb gekündigt. Anschließend musste er zwei Wochen in einem staatlichen Versorgungszentrum auf eine dringend benötigte Operation warten. Viel zu lange, die Verletzung konnte nicht mehr ausreichend behandelt werden und er ist seither bettlegerig.

FOTO FRAU

Ähnlich ging es auch NAME. Er hatte bei einem Schmied gearbeitet und sich während der Arbeit verletzt. Sein Chef hätte ihm zwanzig türkische Lira zugeworfen und ihn dann rausgeworfen. Seitdem wartet er darauf, dass irgendjemand seine Verletzung behandelt.

FOTO VERLETZTER TYP

Dunkel, schmutzig und baufällig

Nur etwa jede*r achte Geflüchteter aus Syrien lebt in einem der riesigen Auffanglager der Regierung. Die meisten kommen in den Häusern und Wohnungen privater Vermieter*innen unter. Oder sollte man lieber sagen, auf den Baustellen und Dreckslöchern privater Vermieter*innen….

FOTOS HÄUSER

Die Familie von Nisrin lebt in diesen Räumen und diesem Hof. Ihre Verwandten erzählen, dass sie hier von türkischen Banden ausgeraubt worden wären. Ihre Töchter würden auf der Straße sexuell belästigt. Ab und an würden ihnen auch türkische Polizisten unter fadenscheinigen Gründen das wenige Geld abnehmen.[su_template name=“page-full.php“]