Während eine harmlose Situation in Saarbrücken eine Terrorhysterie bewirkt, gibt es nach einem Brandanschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft in Berlin kaum Reaktionen
Zwei Geschehnisse aus den letzten beiden Tagen illustrieren die absurde Terrorangst in Deutschland. In Saarbrücken löst ein psychisch gestörter Mann eine Terrorpanik aus – wie sich herausstellt völlig unbegründet. Er wird unbewaffnet und schlafend in seinem eigenen Restaurant aufgefunden. Zuvor rollte auf twitter und in den Medien bereits die Terrorberichterstattung an. Ein Feuer in einer Geflüchtetenunterkunft löst dagegen gar keine Reaktionen dieser Art aus. Obwohl Menschenleben gefährdet waren, die Polizei wegen vorsätzlicher Brandstiftung ermittelt und der Terror gegen Geflüchtete seit Monaten eine massive Bedrohung darstellt.
Sitation 1: Schlafender Mann löst Terrorhysterie aus
Am Sonntag morgen überschlugen sich die Nachrichten aus Saarbrücken. Ein bewaffneter Mann soll sich blutüberströmt in einem Restaurant verschanzt haben. Sofort gehen die Spekulationen über einen Terroranschlag los. Einige Medien waren sich sogar sicher, dass es sich um einen Terrorakt handeln muss.Auf twitter waren sich Rechte sicher, Islamisten haben erneut zugeschlagen, gefährden Menschenleben und attackieren unsere Grundwerte. Am Ende stellt sich heraus, der psychisch gestörte Mann hatte sich selbst verletzt. Anschließend schloss er sich in seinem eigenen Restaurant ein. Das herbeigerufene Sondereinsatzkommando hatte ihn schlafend angetroffen. Zu keinem Zeitpunkt hatte es eine Gefährdung von Menschen gegeben. Zu keinem Zeitpunkt hatte es einen Angriff auf die Gesellschaft und ihre Grundwerte gegeben.
Situation 2: Brandanschlag auf Geflüchtetenunterkunft
Einen Tag später bricht ein Feuer in einer Geflüchtetenunterkunft in Berlin-Buch aus. Löschzüge müssen anrücken, Menschen werden evakuiert. Nur des schnellen Eingreifens des Wachschutzes, der Bewohnenden und der kurz darauf eintreffenden Feuerwehr ist es zu verdanken, dass Menschen nur leicht zu Schaden kommen. Die Polizei gibt später bekannt, sie ermittle wegen des Verdachts der vorsätzlichen Brandstiftung. Sollten sich diese Erkenntnisse erhärten, hätten die Attentäter unmittelbar einen Angriff auf das Leben von Menschen verübt. Sie hätten mit diesem Anschlag auch grundlegenden Werte dieser Gesellschaft angegriffen. Nur einen Tag später hängt die NPD ein Plakat vor die Brandstelle mit dem Slogan „Deutschland uns Deutschen“.
Warum ist Terror nicht Terror?
Doch die Terrorhysterie bleibt aus. Kaum jemand bezeichnet den Anschlag als Akt des Terrors. Kaum jemand sieht Grundwerte in Gefahr, spekuliert über die möglichen neonazistischen Täter und ihre eventuellen menschenfeindlichen Motive. Kaum jemand nimmt diesen Anschlag als Terrorangriff wahr – obwohl er genau das ist. Die unzähligen Terrorangriffe auf Geflüchtetenunterkünfte sollen Angst und Schrecken verbreiten. Sie sollen das gesellschaftliche Klima verändern und dazu führen, dass sich Geflüchtete nicht mehr sicher fühlen – und deshalb das Land verlassen. 68 mal registrierte das Bundeskriminalamt bisher in 2016 durchgeführte und versuchte Brand- und Sprengstoffanschläge auf Unterkünfte von Geflüchteten. 665 Straftaten zählte die Behörde insgesamt.
Man stelle sich vor, Islamisten hätten dieses Jahr 665 Anschläge begangen. Hätten mit Eisenkugeln auf Häuser geworfen, mit Pistolen geschossen, Brände gelegt, Menschen verprügelt – das tun Neonazis statistisch gesehen jeden Tag zweimal. Der Aufschrei wäre enorm, Gesetze würden verschärft und Diskussionen entfacht. Alles weil man das Gefühl hätte, die eigenen Grundwerte und die eigene Sicherheit würde angegriffen. Passiert das aber gegen Geflüchtete, bleibt dieser Aufschrei aus. Vielleicht fühlt sich die Gesellschaft in ihren Grundwerten nicht verletzt, wenn schutzsuchende Menschen von Neonazis angegriffen werden. Es ist eine geheuchelte Angst vor dem Terror, wenn wir nur sie nur bei islamistischen Anschlägen empfinden und keine Solidarität mit Geflüchteten zeigen – ob in Deutschland, Syrien oder Nigeria. Zu dem Anschlag in Berlin-Buch haben einige parlamentische Größen aus Berlin Stellungnahmen verfasst und den Anschlag verurteilt. Im Vergleich zu der Hysterie, die bei jedem auch nur ansatzweise möglichem islamistischen Anschlag hervortritt, ist das aber fast schon zu vernachlässigen.